✆ (06202)14010
 
✉ info@drsimsch.de

Wie kann ich mir eine tiefenpsychologische Gruppe vorstellen? Hintergründe und zugrunde liegende Gedanken:

Während sich unser Körper nach biologischen Regeln entwickelt, ist unser Gehirn ein Beziehungsorgan. Es steuert unser Verhalten mit weitgesteckten Mustern aus Erinnerungen, Emotionen, Kognitionen und Körperempfindungen.

Wiederholungen stabilisieren die benutzten Nervenverbindungen, wir lernen. Wichtig: Das Gehirn wächst dort, wo es gebraucht wird und verfällt, wo es nicht benutzt wird. Zumindest zuerst brauchen wir Erfahrungen im realen Kontakt vor allem mit Menschen. 

Menschen sind soziale Wesen; als Individualisten sind wir letztlich nicht lebensfähig. Medien taugen wenig, um emotional zu lernen. Seit frühester Kindheit sieht sich ein Kind Herausforderungen und Konfliktsituationen ausgesetzt, für die es Lösungen finden muss – am besten solche, die Anpassungen in der gegebenen Umwelt ermöglichen; manche der Lösungen sind Kompromissbildungen und können Störungen verursachen.

Ein Kind verinnerlicht Personen und Verhalten seiner frühen Beziehungen z.B. als Bilder und Fantasien. Was es an Erfahrungen macht, wird Vorbild für das spätere Verhalten. Darauf aufbauend lernen wir ein Leben lang hinzu. Wie wir im Laufe der ersten Jahre und Beziehungserfahrungen unsere Basis bauen konnten, entscheidet, wie wir im späteren Leben in eine individuelle Beziehungswelt eintauchen können


Das Gesundheitsentstehungsmodell von Antonovsky heißt, dass wir lernen müssen, die Reize, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äußeren Umgebung ergeben, zu strukturieren, sie für uns vorhersehbar, erklärbar und damit verstehbar zu machen. Dass schützende und fördernde Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten (Ressourcen) zur Verfügung stehen oder erarbeitet werden müssen, um den täglichen Anforderungen zu begegnen, damit wir Situationen handhaben können. Und dass diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Sinn machen, dass sich Anstrengung und Engagement also für uns lohnen.
Anders gesagt: zu sich zu kommen heißt Organisation einer harmonischen 1-Personenbeziehung=Beziehung mit sich selbst, inklusive der Entwicklung von Körperbeherrschung, Symbolisierungsfähigkeit, Sprache und Zeitverständnis, die innere Bewältigung der Mutter-Kind-Beziehung als Bild von „der Welt“, um dadurch mehr Freiheit zu entwickeln und ein eigenständiges Selbst zu werden; und die Bearbeitung der Vater-Mutter-Kind-Beziehung die, die Umgang mit Widersprüchen möglich werden lässt.

Einfluss der modernen Medien:
Bezüglich der modernen Medien, die zweidimensionale Bilder erzeugen, reagieren Spiegelneuronen nicht. Das bedeutet, dass die dort schnell ablaufenden Informationsflüsse und Bildwechsel chaotische Eindrücke der Verwirrung bewirken können.
Wir brauchen Muster und Rituale, um etwas wiedererkennen und zu verstehen. Dadurch entwickeln wir ein Gefühl von Sicherheit durch Vorhersagbarkeit. Kleine Variationen dieser Muster können lustvoll sein. Wenn jedoch kein Muster erkennbar wird, kann es stressig werden.

Stressreaktionen sind natürlich und ermöglichen es dem Körper, mehr Energie zur Verfügung zu stellen, um ein Problem zu lösen, eine Aufgabe zu bewältigen oder um zu fliehen. Gelingt das nicht, reagiert man aggressiv oder resigniert. Hält Stress zu lange an, wirkt er krankmachend.

Die Medienwelt bedient frühkindliche Ansprüche nach Bedürfnisbefriedigung sofort, ohne großes Zutun. Sie fördert die Entwicklungen zu mehr Selbstbestimmung nicht. Sie vermittelt uns eine fassadäre Vorstellung von der Welt und spiegelt uns eine „alltägliche“ fast greifbare Erlebensweise vor, welche sich jedoch im echten, sozialen Leben nicht wiederfinden lässt. Manche Kinder, Jugendliche und Erwachsene hängen mittlerweile am Netz, wie ein Embryo an seiner Nabelschnur; z.T. mit vergleichbaren unerträglichen inneren Spannungszuständen und Ängsten, wenn sie Off-line sind.

Verschiedene Phasen:
Direkt nach der Geburt ist eine Phase von „primärem“, natürlichem Narzissmus“ / Selbstbezogenheit völlig normal. In den ersten Lebensmonaten kann der Säugling nicht klar zwischen sich und der Umgebung unterscheiden; auch wenn er zu eigenständigen Wahrnehmungen in der Lage ist. Dieser Zustand ist eine wichtige Vorstufe, um später sicher zwischen dem eigenen Selbst und den anderen unterscheiden zu können. In dieser Phase kann der Säugling das Innen nicht vom Außen unterscheiden, Kind und Mutter bilden in der Vorstellung des Kindes eine Einheit, Gutes oder Unlustvolles ist ohne Zeitbegrenzung, also ewig; die eigene Macht wird als ungeheuer groß wahrgenommen, z.B. die Macht, die Mutter steuern zu können. Ein Kontrollverlust über die Mutter kann als vernichtend erlebt werden. Daher ist es in dieser Zeit so wichtig, dass die Sicherheit vermittelnde Umgebung in greifbarer Nähe ist. Wenn diese Umgebung fehlt, ist sie im Erleben des Säuglings komplett weg und löst Angstreaktionen aus. Kommt es zu Störungen in dieser Entwicklungsphase, bildet sich nur ein schwaches „Selbst“ aus und Betroffene laufen Gefahr, sich nicht genügend von ihrer Umgebung abgrenzen zu können. 

Auswirkung auf Beziehungen: Durch das Fehlen des „Urvertrauens“ und das Vertrauen in die Welt ist es für solche Menschen schwer, sich in Beziehungen vom Partner abzugrenzen und sie haben die Neigung, in Ihrem Erleben aber auch Verhalten, mit dem Partner verschmelzen zu wollen, um den nicht erlebten Zustand des Einsseins zurückzubekommen. Durch die in ihrer Fantasie bestehende Selbstüberschätzung und Allmachtsfantasie neigen sie zur Idealisierung von anderen, die bei kleinsten Enttäuschungen entwertet werden.


„sekundärer Narzissmus“: Auch wenn das Kind zu einem späteren Zeitpunkt Erfahrungen von Verlassenwerden und/ oder Ungeliebtsein durch seine Bezugspersonen machen muss, kann sich eine narzisstische Störung entwickeln.
Weitere Ursachen können Kränkungen in der „ödipalen“ Phase oder in der Pubertät, die den jungen Menschen überfordern, sein. Wird die Umwelt in dieser Phase als feindlich und frustrierend erlebt, entsteht eine Selbstliebe, in der Gefühle und Strebungen von anderen Personen abgezogen und auf sich selber gerichtet werden. Erwachsene mit „Narzissmus“ erkennt man an ihrem unsicheren und leicht verletzlichen Selbstwertgefühl, sie sind leicht kränkbar und stark auf Selbstbestätigung durch andere angewiesen. Ihr Selbst ist aber schon so weit entwickelt, dass es nicht zu zerfallen droht, wenn das Selbstwertgefühl zusammenbricht.
Orale Phase: In den ersten Lebensjahren wird die orale Phase abgegrenzt, die ungefähr das 1. Lebensjahr umfasst, in dem das Kind vollkommen von der Pflege der Bezugsperson abhängig ist. Das Erleben von Versorgtwerden, Haut- und Blickkontakt sind in dieser Phase von zentraler Bedeutung. In dieser Zeit entsteht durch positive Erfahrungen mit den Bezugspersonen eine stabile Befindlichkeit, unabhängig von Gefühlsschwankungen und das Kind kann Vertrauen oder Ur-Misstrauen (wenn es unberechenbar und chaotisch zugeht und das Kind sich fürchtet) entwickeln. 

Auswirkung auf Beziehungen: Im Erwachsenenalter können unerledigte Themen aus dieser Zeit in Beziehungen wichtig werden; eine wichtige Frage ist z.B., ob man in einer engen Beziehung von seinem Partner erwarten kann, dass er einen -ohne Gegenleistung- umsorgt wie eine Mutter, oder ob man selbst die Rolle der unerschöpflich spendenden Mutter übernehmen kann. Überforderung und Erschöpfung, depressive Reaktionen sind eine Folge.

Anale Phase: In der analen/“Autonomiephase“ Phase, 2. bis 4. Lebensjahr, entwickelt sich nicht nur Sprache und Motorik, sondern auch Selbstbehauptung, Abgrenzung und Manipulationsfähigkeit des Kindes. Das Hin und Her zwischen "Macht" (durch seine erworbenen Fähigkeiten) und "Unterwerfung" findet das Kind oft lustvoll. Damit gehen Gefühle von Selbständigkeit und Kontrolle einher. Übermäßige Kritik führt zu Schamgefühlen und zu Zweifeln an den eigenen Fähigkeiten. 

Auswirkung auf Beziehungen: In engeren Beziehungen kann die Frage entstehen, inwieweit man sich in Abhängigkeit begeben kann, ohne ausgenutzt zu werden; ob man einen berechtigten Anspruch hat, einander ganz zu gehören oder ob man dem Partner autonome Bereiche zugestehen muss. Kontrolle, Eifersucht, Geiz, Pedanterie, Zwänge ergeben sich aus Befürchtungen und Unerledigtem dieser Stufe.

Ödipale Phase: Die „ödipale Phase“ 4. bis 7. Lebensjahr“, dient der Entwicklung einer sicheren Geschlechtsidentität. Gefühle der Freiheit werden durch positive Reaktionen der Eltern auf intellektuelle wie motorische Eigeninitiative ihrer Kinder unterstützt, Schuldgefühle können in dieser Phase durch ein unerwünschtes Eindringen des Kindes in die Erwachsenenwelt ausgelöst werden, Über zunehmende Empathie bildet sich das Empfinden für Werte und Normen, das Gewissen und eine Idealvorstellung von sich selbst aus, Lügen wird möglich. 

Auswirkung auf Beziehungen: Für Beziehungen ist es wichtig, zu überlegen, inwieweit Frauen auf die Entwicklung "männlicher" Eigenschaften verzichten müssen und sich an Männern anlehnen sollten bzw. inwieweit der Mann verpflichtet ist, sich immer stark zu verhalten. Hysterische Inszenierungen und eine Dominanz des Scheins, gegenüber dem Sein, sind eine Folge.

Latenzphase: In der Latenzphase, 6. bis 11. Lebensjahr, beschäftigt sich das Kind am wenigsten sexuell (im Sinn von Beschäftigung von erogenen Zonen) . Das Thema Leistung dominiert diese geschäftige Zeit. Das Kind interessiert sich dafür, wie Dinge funktionieren, es formuliert Regeln, organisiert und ordnet. Werden diese Anstrengungen als dumm, frech oder störend hingestellt, entwickelt sich beim Kind ein Gefühl der Minderwertigkeit. Mit der Schulzeit nahmen damals, also wenn man schon weitgehende Strukturen und Reife entwickelt hatte, erstmals deutliche Einflüsse auf das Kind zu, die von außerhalb des Elternhauses kamen. Die Überforderung der Kinder heute ist leicht vorstellbar.

Im Jugendalter von 12 bis 18 Jahren gilt es, beim Spielen verschiedener Rollen, die eigene Identität erkennen zu lernen und seine Grenzen zu akzeptieren. Deutlich wird spürbar, dass Identität verinnerlichte Beziehungserfahrung ist. Gelingt das Einfügen in der Gesellschaft nicht, sind die Alternativen Verwirrung / Schwanken zwischen den Rollen oder Flucht in eine „negative“, also eine gesellschaftlich nicht akzeptiere Identität, wie z.B. Drogensucht; Berufswunsch „Minijobber“/“Praktikum“.


Das junge Erwachsenenalter ist vom Berufsbeginn und der Kontaktaufnahme zu anderen Leuten gekennzeichnet. Daraus kann sich Intimität - sexuelle, emotionale, moralische - entwickeln oder es kann sich Isolation ergeben.


Im mittleren Erwachsenenalter sind berufliche Etablierung, Entscheidung über Kinderwunsch und die Probleme damit für die Beziehung und das Thema eines „über die eigene Person und das Paar hinausgehenden Interesses“ wichtig. Andernfalls konzentriert sich das Interesse auf das eigene Ich und dessen materielles und physisches Wohlergehen werden vorrangig.


Im hohen Alter blickt der Mensch zurück auf das, was gewesen ist, und voraus auf das Unbekannte, das ihn erwartet. Kann er auf Grund seiner erfolgreichen Konfliktlösungen, jetzt zufrieden der Erfüllung seines Lebens mit Gelassenheit und Zuversicht entgegensehen? Kann er evtl. Krankheit und/oder Alleinsein als Aufgabe annehmen oder befällt ihn Verzweiflung und Zorn, weil das Leben „falsch“ und unbefriedigend verlief?


Lernt das Kind nicht, Konflikte in adäquater Form zu lösen, wird Erlösung oft in einer Partnerschaft gesucht. Aber niemand kann die Aufgaben eines anderen lösen. Solange das inszenierte, auf Lösung hoffende Thema noch unverstanden ist, findet man sich meist bald schon in denselben Schwierigkeiten wieder. Es liegt nicht am falschen Partner!
Um nicht bei Trennung, Mobbing oder Scheidung zu landen, sollten Ich und Objektbereich passen, mitgeschleppte Konfliktfelder aufgeklärt und durchgearbeitet werden und, last but not least, sollte im Beziehungsalltag eine Dynamik entwickelt werden, in der die positiven Gedanken und Gefühle die negativen (die es in allen Beziehungen gibt) überwiegen.


4 apokalyptische Reiter:

Nach jahrelanger Kommunikationsforschung kann John Gottman, ein bekannter Psychologieprofessor, mit großer
Wahrscheinlichkeit voraussagen, ob ein Paar zusammen bleibt, nachdem er die beiden 5 Min. lang beobachtet hat. Er beschreibt 4 „apokalyptische Reiter“, die eine Beziehung dauerhaft ruinieren:
1. Kritik – die über die Sache hinausgehend in Anklagen, Vorwürfen und Schuldzuweisungen enden, die ihren Höhepunkt in genereller Verurteilung des Partners finden
2. Rechtfertigungen, die insbesondere die eigenen Anteile, die zum Konflikt beigetragen haben, verleugnen
3. Verachtung und Geringschätzung des Partners
4. „Mauern“, Schließen der Schotten und Rückzug
In allen aktuellen Beziehungskonflikten ist zu klären:
a) handelt es sich um ein simples Missverständnis? Dann gilt es dies aufzuklären, z.B. in einem kontrollierten Dialog, bis jeder sagen kann: jetzt habe ich verstanden und sehe, das, was ich gemeint habe, ist auch bei Dir angekommen.
b) reden wir über die gleichen Ziele und Werthaltungen? Hier könnte ein Kompromiss hilfreich sein oder Stehenlassen der unterschiedlichen Meinung.
c) wohin und in welche Zeit gehört der Konflikt? Die Offenlegung der Kontexte, Übertragungsgefühle usw. hilft, besser zu verstehen. Allgemein lässt sich sagen: Passen irgendwann die Erwartungen und Lösungen, die wir verinnerlicht haben, die durchaus einmal sinnvoll waren, um im Leben zu Recht zu kommen, nicht mehr; gibt es Probleme.
Altes Wissen zu nutzen, ist normal!
Da wir versuchen, unser (altes) Wissen zu nutzen; inszeniert jeder immer wieder die eigene innere Welt in den Beziehungen im Hier und Jetzt. Es ist also normal, wenn wir bekanntes Verhalten aus früheren Erfahrungen auch von anderen Menschen / Situationen erwarten, auf sie übertragen, damit im Gegenüber Gegenübertragungsreaktionen auslösen.
Auf Bekanntes lässt sich (z.T. automatisiert) viel schneller reagieren, zudem gaukelt es den Eindruck von Sicherheit und Vorhersehbarkeit vor; ein sinnvoller Schutzmechanismus, der oft alltagstauglich ist. Passen die Lösungsmuster nicht zu den aktuellen Anforderungen, weil unsere (Um)Welt sich ständig verändert, kommt es zu Konflikten und Symptomen– innerpsychisch oder / und interpersonell. Ziel ist es dann, immer bessere Anpassungen an die Realität zu entwickeln.
Jedes Kind reagiert zuerst mit Neugier und nur nach schmerzlichen Erfahrungen mit Angst oder anderen Abwehrmechanismen, um sich zu schützen. Auch dabei entscheiden wieder die erlernten Bewältigungsstrategien, wie (reif) mit solchen Konflikten umgegangen werden kann; ob das Ich zu Kompromissbildungen und wenn, zu welchen es fähig ist.
Der Handlungszyklus ist immer der gleiche: da ist ein Bedürfnis oder ein Mangel; es baut sich Spannung auf, die irgendwann den Impuls zum Handeln auslöst, um eine Befriedigung zu erreichen; so dass die innere Spannung sich löst und eine Ruhephase beginnt, in der wir „verdauen“; bis sich ein neues Thema aufbaut und alles von Neuem beginnt.
Gelingt Befriedigung nicht vollständig, bleibt Spannung im Körper zurück; mit entsprechenden Folgen, je nachdem wo. Die dann im Zuge der körperlichen Selbstregulation eintretenden Symptome, sowohl im eigenen Körper, wie in unseren Beziehungen, zeigen an, dass die Integration eines Spannungsfeldes nicht gelungen ist. Sie dienen der Balance des Systems und stabilisieren das Ich. Entsprechend sind Symptome nur dann loszulassen, wenn passende Veränderungen im System stattgefunden haben. Dennoch fordert die Störung, das Symptom, der Schmerz dazu auf, nachzuschauen, um schlimmeres zu verhindern; zeigt, dass die Art von Gleichgewicht, welches früher wichtig war, in der heutigen Welt nicht mehr angemessen ist.